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   Wien, Montag den 26. März 1827, etwa 17:45 Uhr: Ludwig van Beethoven stirbt im Alter von 56 Jahren. Laut Totenschein ist „Bauchwassersucht“ die Todesursache.

Am Morgen des 27. März wurde eine Obduktion vorgenommen. Das Protokoll dokumentiert u.a. eine massive Bauchwassersucht, das Vollbild einer Leberzirrhose und - nachdem der Kopf aufgesägt wurde - die Entnahme der Innenohren. Diese blieben ohne Befund und gingen leider schon nach wenigen Jahren verloren.

Beethovens Leichnam blieb drei Tage lang aufgebahrt, und unter denen, die ihn sehen durften, war ein 15-jähriger Musikschüler, der dem Meister eine Haarlocke abschnitt, die heute vier Mitgliedern der American Beethoven Society gehört.1 

Beethovens Grab auf dem Währinger Friedhof wurde dann zweimal geöffnet: 1863, als man ihn umbettete, und 1888, als man seine Überreste ins Ehrengrab auf den Wiener Zentralfriedhof transferierte.

Bei der ersten Exhumierung fand man den Schädel in neun Teile zerfallen, die erst wieder zusammengesetzt werden mussten, ehe eine Replik des Schädels angefertigt werden konnte. Ein Medizinhistoriker, der an dieser Prozedur beteiligt war, gelangte dabei auf unbekannte Weise an zwei Schädelfragmente, die sich jetzt im Besitz seiner Nachkommen in Amerika befinden.

2005 konnte eine übereinstimmende DNA in den Schädelknochen und den Haaren nachgewiesen werden.

In den Haaren hatte man bereits 1996 eine etwa 80fach erhöhte Bleibelastung festgestellt, und die Untersuchung eines Knochens mit sehr starken Röntgenstrahlen (2005) ergab, dass bei Beethoven schon in seinen frühen 20ern erhöhte Bleiwerte auftraten, die ihn sein Leben lang belastet haben.2

2007 wurden am Institut für Analytische Chemie der Wiener Universität für Bodenkultur drei Haare einer genaueren Untersuchung unterzogen: Zwei Haare (4 cm und 9,3 cm mit Wurzeln) aus der Locke in Amerika und ein 15 cm langes Haar der Beethoven-Gedenkstätte in Wien-Jedlesee.

Das Gewebe wurde mit einem mikroskopisch dünnen Laserstrahl Millimeter für Millimeter verdampft und der Rauch in einem Massenspektrographen analysiert. Dabei stellte sich heraus, dass die Haare nicht gleichmäßig mit Blei beladen sind: Vom ~425. bis zum ~360. Tag zeigt sich keinerlei Bleibelastung; im Zeitraum zwischen dem ~360. und dem ~200. Tag gibt es immer wieder einzelne Abschnitte mit Blei, dann wieder ca. 60 unbelastete Tage, und schließlich in den letzten ~111 Tagen vor Beethovens Tod mehreren exzessive Bleibelastungen.

Daneben fanden sich weder Spuren von Cadmium oder Quecksilber noch Rückstände von Opium oder anderen Schmerzmitteln, die Beethoven sein qualvolles Ende erleichtert hätten. Nach Ansicht der Forscher steht damit fest, dass Beethoven nicht an Syphilis litt, die damals noch mit quecksilberhaltigen Salben behandelt wurde.

Über die Herkunft des Bleis in seinen Knochen kann man nur spekulieren. Es könnte sein, dass Beethoven eine Stoffwechselstörung hatte, die ihn daran hinderte, das Blei im Körper abzubauen - und Gelegenheiten, sich zu vergiften, hatte er dann viele: Wasserleitungen aus Blei, mit Blei kontaminiertes Porzellan und Zinngeschirr, bleierne Flaschenverschlüsse, mit Bleizucker gesüßte Weine, bleihaltige Medikamente etc.3

Blei war aber sicher nicht die einzige Ursache für Beethovens Krankheiten, an denen er von jungen Jahren an gelitten hat. Seine Bauchbeschwerden und Stimmungsschwankungen sind Symptome, die zu einer Bleivergiftung passen. Doch bei schweren Bleivergiftungen treten auch motorische Störungen in den Gliedmaßen auf (was beim Klaviervirtuosen Beethoven nicht der Fall war), während ein Gehörverlust4 nur sehr selten zu beobachtet ist.
Beethovens Taubheit könnte eher als Folge einer unausgeheilten Mittelohrentzündung erklärt werden, oder als Labyrintherkrankung, die ihren Ursprung im Gehirn hatte …
Die Ursache seiner Leberzirrhose - die durch seinen Alkoholkonsum natürlich begünstigt wurde - war vermutlich die infektiöse Hepatitis, die er sich 1821 zugezogen und nie ganz ausgeheilt hatte.

Stocktaub und an Leib und Seele geschwächt, trat Beethoven seine letzten ~111 Tage an: Anfang Dezember 1826 erkrankte er an einer Lungenentzündung, die der Arzt Dr. Andreas Wawruch allem Anschein nach mit schleimlösenden Bleisalzen behandelte.5 Als Nebenwirkung trat eine gewaltige Bauchwassersucht auf, sodass der Patient „kaum mehr atmen konnte“. Folglich musste man diese (11, 5 Liter)6 entleeren, indem man den Bauch punktierte - was sehr riskant war, weil es zu einer Bauchfellentzündung kommen konnte, die damals unweigerlich zum Tod führte. Zwischen dem 20. Dezember und dem 27. Februar musste er ganze vier Mal punktiert werden, und abgedeckt wurden die Punktierungen vermutlich mit einer bleihaltigen Salbe, die desinfizierend wirkt.7

Am frühen Abend des 24. März fiel Beethoven in ein Koma, und zwei Tage später war er tot.8

Vergleicht man nun die Bleikonzentration im Haar mit Beethovens Krankengeschichte, zeigen die chemischen Analysen, dass im Haar ein massiver Anstieg der Bleikonzentration auftrat, als der Arzt mit der Behandlung der Lungenentzündung begann und wenn eine Punktion vorgenommen wurde.9

Für Beethovens zirrhotische Leber war das bald zu viel …

Ergo: „Obwohl Dr. Wawruch nach bestem Wissen und Gewissen, und wie es dem Stand der Medizin entsprach, gehandelt hat, hat er dabei Beethoven zu Tode gebracht.“ (Diagnose: Univ.-Prof. Dr. Christian Reiter, Leiter des Instituts für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Wien.)10 

1 Künstler fertigten Skizzen von Beethovens Kopf sowie Gipsabdrücke seiner Hände und eine Totenmaske an. Zwei Künstler und einige der Hinterbliebenen schnitten ihm Haarlocken ab. Locken, die Beethoven zugeschrieben werden, befinden sich in der Library of Congress, Washington, D.C.; in der University of Hartford, Connecticut; in der British Library, London; im Beethoven-Haus, Bonn; in der Gesellschaft der Musikfreunde, Wien ...
2 Siehe die Webseite des Ira F. Brilliant Center for Beethoven Studies, San José State University, California, USA.
3 Obwohl es bereits illegal war, wurde Bleizucker [Blei(II)-acetat] häufig verwendet, um saure Weine zu süßen. Trotz seiner bekannten Toxizität, fand Bleiacetat Anwendung in der Behandlung von Cholera, Ruhr, Durchfall, Asthma, Bronchitis, Keuchhusten, Lungenentzündung, Hautkrankheiten, Geschwüren, Wunden, etc. Beethoven war kein Alkoholiker, aber er trank gerne, und er hatte eine Vorliebe für süße Weine. Seine Bauchbeschwerden wurden mit allerlei Mitteln behandelt ...
4 Von seinen späten 20er-Jahren an verschlechterte sich Beethovens Gehör mehr und mehr, und von 1818 an war er stocktaub. Die Konversation mit Beethoven musste weitgehend mittels Schreiben vonstatten gehen. Er sprach, aber seine Gesprächspartner mussten ihre Fragen und Antworten in seine Konversationshefte schreiben.
5 Leider finden sich in Dr. Wawruchs medizinischem Rückblick keine Einzelheiten über sein „streng entzündungswidriges Heilverfahren“. Es ist unmöglich, zu „beweisen“, was er Beethoven tatsächlich verabreicht hat, aber wenn man die Praxis seiner Zeit bedenkt, kann man vermuten, dass es sich um bleihaltige Medizin handelte. Nur vermuten. Doch das Blei ist da, und Prof. Reiters Verdienst ist es, gezeigt zu haben, dass die Bleikonzentrationen in Beethovens Haar mit der Therapie seines Arztes korrelieren.
6 Ein Baby kurz vor seiner Geburt - einschließlich Nabelschnur, Plazenta und Fruchtwasser - entspricht etwa 7 Litern.
7 Die Punktion wurde vom Wundarzt Dr. Johann Siebert vorgenommen, der sich auch um die Bandage kümmerte. Während der Nacht löste sich die Bandage und die Wunde entzündete sich. Dr. Wawruch behandelte sie erfolgreich, durch „sorgfältigstes Trockenhalten“. Die drei folgenden Operationen (alle von Dr. Siebert vorgenommen) blieben ohne solche Komplikationen. Leider hat Dr. Siebert keinen Bericht hinterlassen, und so kann Prof. Reiter keinen „Beweis“ liefern, dass auf Beethovens Wunden eine bleihaltige Salbe aufgetragen wurde.
8 Am Morgen erhielt Beethoven die letzte Ölung, und gegen 13 Uhr kam eine Sendung mit bestem Mosel-Wein aus Deutschland an. Beethoven blickte auf die Flaschen und murmelte seine letzten Worte: „Schade, schade, zu spät!“ [Tags zuvor hatte er seine Zeitgenossen mit der Aufforderung geschockt: "Plaudite, amici, comedia finita est!" ("Applaus, Freunde, die Komödie ist vorbei!”)] Am späten Nachmittag verlor er das Bewusstsein, und die restlichen zwei Tage ließ er ein entsetzliches Todesröcheln hören …
9 Bei Haaren besteht das Problem der Kontamination durch äußere Bestandteile, wie Shampoos … Es gibt auch die Möglichkeit, dass durch Medizin das altes Blei, das jahrelang in den Knochen gelagert hat, herausgelöst wird… Haaranalysen gelten als nicht sehr zuverlässig, aber Prof. Reiters Forschungsarbeit ist so akkurat, wie sie nur sein kann.
10 Siehe den Reiter Article im Internet oder The Beethoven Journal, vol. 22, No. 1, 2007. (American Beethoven Society)

Bald nachdem der Artikel im August 2007 in Amerika publiziert war, erschien eine Vielzahl von Berichten in den Medien:  

Und selbstverständlich dauerte es nicht lange, bis einige Gelehrte ihre Widersprüche einlegten: 
Was Beethoven Lead-Poisoned? (Dr. Josef Eisinger)


Kommentar

Brillant, Herr Professor!
Aber „nach bestem Wissen und Gewissen“ - das kann man so nicht stehen lassen.

Dr. Wawruch war nicht Beethovens Hausarzt; Dr. Wawruch wurde gerufen, nachdem zwei andere Ärzte sich geweigert hatten, zu kommen. Beethoven hatte eine ganze Reihe von Ärzten vor den Kopf gestoßen, und in höchster Not lieferte er sich diesem Dr. Wawruch aus, der seinen Zustand so beschreibt: „Ich traf B. mit den bedenklichen Symptomen einer Lungenentzündung behaftet an; sein Gesicht glühte, er spuckte Blut, die Respiration drohte mit Erstickungsgefahr und der schmerzhafte Seitenstich gestattete nur eine quälende Rückenlage.“

Was der Mann verschweigt, ist die Tatsache, dass Beethovens Bauch schon zu diesem Zeitpunkt ziemlich angeschwollen war und Haut und Augen gelblich waren. Bei seinem ersten Besuch am 5. Dezember mag er das übersehen haben, aber laut Aufzeichnungen hat er es spätestens am 12. Dezember bemerkt: „… seine Füße waren mächtig geschwollen. Von diesem Zeitpunkte an entwickelte sich die Wassersucht, die Urinaussonderung wurde sparsamer, die Leber bot deutliche Spuren von harten Knoten, die Gelbsucht stieg.I

Dr. Wawruch kannte die Nebenwirkungen seiner Medizin, und er wusste, dass sie einer schwer kranken Leber zugemutet wurde, aber er änderte nicht die Therapie.II

Beethovens Neffe Karl beschrieb Dr. Wawruch als „distanziert & gleichgültig“. Sein Onkel, berichtete er, habe Wawruch nicht gemocht und ihn bei einer Visite sogar „Arsch“ genannt.III

Warum Beethoven nicht einen anderen Arzt verlangte, ist leider nicht nachzuvollziehen.V

Als dann die fortschreitende Wassersucht das Organversagen ankündigte, war es jedenfalls zu spät. Beethovens Bauch musste punktiert und die Wunden mit einer bleihaltigen Salbe bestrichen werden. Schwermetalle wie Blei, Quecksilber und Arsen vertraten damals die Antibiotika; die giftigen Nebenwirkungen wurden als das kleinere Übel im Vergleich zur Bauchfellentzündung angesehen.
Ein guter Arzt hätte allerdings die Lungenentzündung mit pflanzlichen Heilmitteln behandelt …

Kurzum: Ludwig van Beethoven bekam die falsche Behandlung zur falschen Zeit vom falschen Doktor; d.h. dieser "Arsch" hat Ludwig van Beethoven ins Jenseits befördert.

Ein Mordkomplott? Unsinn. Was Beethoven umgebracht hat, waren Nachlässigkeit und Dummheit oder Bosheit.

I Beethovens „angeschwollenen Bauch und die Unterschenkelgeschwüre“ hatte sein Bruder Johann schon im Herbst bemerkt (Tagebuch). Da Dr. Wawruch jeden Tag auf Besuch kam, muss er Beethovens allgemeinen Gesundheitszustand schon vor dem 12. Dezember erkannt haben.
II Anton Schindler, Beethovens Sekretär und erster Biograph, berichtete, dass Dr. Wawruch den Meister mit zu viel Medizin ruiniert habe (75 Flaschen und verschiedene Pulver bis Mitte Januar). Gerhard von Breuning, Beethovens junger Freund und Biograph, reklamierte auch „Wawruchs Arzneiüberladung“.
III Beethovens Biographen mochten widersprüchliche und manchmal sogar falsche Informationen gegeben haben, aber alle stimmten darin überein, dass Beethoven und Dr. Wawruch eine miserable Beziehung hatten. Leider fehlen mehr Berichte, weil die Konversation mit Beethoven auf dem Sterbebett weitgehend mittels einer Schiefertafel stattfand.
Beethoven as I Knew Him (Anton Schindler) 
IV Im Januar ließ Beethoven Dr. Johann Malfatti rufen, der sein Freund und Arzt gewesen war, bis man sich trennte, weil sich Beethoven falsch behandelt glaubte. Dr. Malfatti erschien und verordnete weingeistiges Obst-Gefrorenes, das einige Tage hilfreich zu sein schien. Aber Beethoven war da schon nicht mehr zu retten, und Dr. Malfatti war nicht bereit, sich mit Dr. Wawruch anzulegen.
Skizze von Joseph Danhauser (28. März, 1827)
Kupferstich eines unbekannten Künstlers.
Prof. Dr. Andreas Ignaz Wawruch (1782-1842), Professor für Pathologie und Therapie innerer Krankheiten an der Universität Wien, Vorstand der medizinischen Klinik für Wundärzte in Wien, Mitglied der Kaiserlichen Gesellschaft der Mediziner, Verfasser einiger wissenschaftlicher Publikationen über Infektionskrankheiten und Parasiten, ein recht guter Cellist … Kurz nach seinem Tod erschien in der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode zum ersten Mal sein Ärztlicher Rückblick auf Ludwig van Beethovens letzte Lebenspoche (datiert 20. Mai, 1927).


Antithese 

Leider kann sich der arme Doktor nicht mehr verteidigen.
Beethoven war sterbenskrank als Dr. Wawruch ankam. Wer möchte diesen ehrenwerten Vertreter der Heilkunst beschuldigen? Wer weiß, ob Beethoven ohne seine verdammte Medizin die Lungenentzündung überstanden hätte?
Vielleicht sollte jemand die ganze Geschichte neu schreiben.
Titel: Titanendämmerung.
Erster Zeile: „Schade, schade, zu spät!"

Angeblich wurde Dr. Wawruch von einem Freund Beethovens, dem Violinisten Karl Holz, zu Beethoven bestellt. Beethoven schrieb am 5. Dezember an Holz einen Brief, in dem er ihn um einen Besuch bat und mit dieser kleinen Partitur beschenkte:
Text: Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)
Oben: Beethovenportrait von Carl Friedrich August von Kloeber, 1818.
ISBN 978-3-9502548-5-3

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It was the Bronze badge winner for English Knols created in July 2008.
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